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Weltfrauentag am 08. März 2021 - Gastbeitrag von Dignanllely Meurer
Ich bin seit 2016 Mitglied des Rates der Stadt Erkelenz. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich als Frau anders wahrgenommen werden könnte. Für mich war der „Rat der Stadt Erkelenz“ immer eine Institution, in der das Geschlecht der Mitglieder mit Sicherheit keine Rolle spielen wird. Diese Einstellung hat sich sehr schnell geändert. Ich war erschrocken, wie wenige Frauen vertreten waren. Nur unsere Fraktion bestand aus mehr Frauen als Männern.
Warum ist das relevant? Das zeigte sich mir in der Art und Weise der Diskussion. Ich erlebte einen harschen und nicht immer zielgerichteten Umgangston. Mir war zwar bewusst, dass ein solcher zum politischen Geschäft dazu gehört. Das unterschiedliche Debattenverhalten von Frauen und Männern jedoch hat mich sehr überrascht und auch zum Nachdenken gebracht. Meiner Meinung nach kann jede Debatte nur davon profitieren, wenn die debattierenden Parteien paritätisch auf Männer und Frauen setzen.
Als Frau, insbesondere als junge Frau war ich leider auch mit unangebrachten „Witzen“ der Art „das wird man wohl noch sagen dürfen“ konfrontiert. Dieses Fehlverhalten einzelner Ratsmitglieder habe ich auch im Rat thematisiert. Die Reaktion darauf hat mich, vorsichtig gesagt, irritiert. Es wurde sich weniger mit meinen Erläuterungen der sexuellen Belästigung beschäftigt, vielmehr mit meiner Vorgehensweise diese im Rat öffentlich zu thematisieren. In den Augen vieler war dies unangebracht, man können solche „Problemchen“ besser unter vier Augen klären. Im Anschluss wurde ich von vielen einige Monate gemieden, im Nachhinein wurde mir mitgeteilt, dass man Angst hatte „in eine Falle zu laufen“. Absurd. Ich würde immer wieder so vorgehen, weil ich auch glaube, dass meine Erfahrungen traurigerweise keine Rarität im politischen Geschäft darstellen.
Mittlerweile bin ich seit 5 Jahren politisch im Rat aktiv und ich glaube, dass ich mich sehr gut behaupten kann. Nach dem beschriebenen Vorfall kam es auch zu keinem nennenswerten Zwischenfall. Ich werde von den meisten meiner männlichen Kollegen als gleichwertiges Mitglied angesehen und auch so behandelt. Ich freue mich sehr, dass nach der Kommunalwahl im letzten Jahr mehr Frauen, insbesondere junge Frauen, in den Rat gewählt wurden. Bis wir aber zu einem ausgeglichenen Verhältnis der Geschlechter kommt ist es noch ein langer Weg. Politik und insbesondere Kommunalpolitik muss für Frauen attraktiver werden!
Frauen werden auch in Deutschland, dass weltweit gesehen zu einem der fortschrittlichsten Ländern der Welt gehört, immer noch benachteiligt – teilweise auch systematisch. Wie kann es sein, dass der Gender-Pay-Gap europaweit nirgendwo so groß ist wie in Deutschland? Wie kann es sein, dass Frauen immer noch wie selbstverständlich den größten Part der Carearbeit in Familien stemmen? Wie kann es sein, dass „typische Frauenberufe“ oftmals so schlecht bezahlt werden, dass wir einen akuten Fachkräftemangel erleben. Von diesen Fragen gibt es leider zu viele, weshalb wir das Thema Gleichberechtigung kontinuierlich betrachten und verbessern müssen. Frauen sollen nicht bessergestellt werden als Männer. Es geht nicht darum Wege zu erleichtern „Wehwehchen“ zu behandeln. Es geht darum, dass Frauen gleiche Voraussetzungen und Chancen wie Männer bekommen müssen. Nur eine gleichberechtigte Gesellschaft ist eine lebenswerte Gesellschaft, die auf Dauer Bestand haben kann.
Artikel 3 im Grundgesetz lautet „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. […]“
Es wird Zeit, dass dieser Grundsatz endlich in alle Lebensbereiche einzieht!